Welche Feiertage gibt es in deinen Büchern? Sind sie den Charakteren wichtig?

 

Wieder ist Alvan zu Besuch, diesmal an Ostern. Wir sitzen auf der Bank unter dem Kirschbaum und blicken auf den Garten, in dem zaghaft das erste Grün an den Ästen der Bäume und Sträucher sprießt. Die Sonne scheint, ein paar bauchige Wolken ziehen vorbei, aber es ist noch empfindlich kühl, so kühl, dass ich fürchte, unser Weinbergpfirsich und die Aprikose werden auch dieses Jahr keine Früchte tragen. Sie blühen bereits und in den nächsten Tagen ist Nachtfrost gemeldet.

„Heute geht es um deine Feiertage“, sage ich zu Alvan gewandt. „Gibt es welche und sind sie dir wichtig?“

„Auf der IGASHU, dem Planetenschiff, auf dem ich stationiert bin, gibt es keine. Das Volk der Laurasier feiert nach Gelegenheiten, wie etwa bei der Beförderung eines Besatzungsmitgliedes oder dem Empfang einer hochrangigen Persönlichkeit. Ansonsten lieben sie Kulturveranstaltungen, irgendwelche Interessengruppen oder was auch immer …“ Bei dieser Erklärung klingt seine Stimme eher desinteressiert. Hörbar zieht er die Luft in seine Lungen. „Ihr habt hier duftdominante Tiere.“

„Spitzmäuse.“ Obwohl ich nicht Alvans ausgeprägte Sinne besitze, rieche auch ich den moschusartigen Geruch. „Ein paar von ihnen leben im Kompost und helfen uns, die Schnecken zu dezimieren.“ Ich weiß, dass sie direkt vor der Bank im dichten Laub des Waldmeisters eine Art Straße besitzen.

„Gelten Mäuse bei euch nicht als Schädlinge?“

„Nein, diese heißen nur so, sind aber in Wirklichkeit keine, sondern mit Igel und Mauswurf verwandt, also reine Insektenräuber und keine Nagetiere. Sie sind winzig und fast blind. Erst vor ein paar Tagen, als wir den Kompost umgeworfen haben, haben wir eine gesehen, so verletzlich, mit langgezogener spitzer Schnauze und winzigen rosa Pfoten, die wie die Hände eines Menschen aussahen. Sie hat ängstlich gequiekt und sich wieder im Kompost verkrochen. Aber wir haben bei der Aktion ihr Nest zerstört und ich hatte ein schlechtes Gewissen …“

Alvan brummt verstehend

„Wie sieht es auf deiner Heimatwelt mit Feiertagen aus?“

„Du meinst Sumas?“

„Ja.“

„Sumas.“ Plötzlich geht etwas Wehmütiges von ihm aus, eine bedrängende Sehnsucht. „Einst feierte mein Volk zwei wichtige Feste.“ Unter halbgeschlossenen Augen blickt er in eine imaginäre Ferne, scheint in der Zeit weit zurückzureisen. „Wenn unsere Kinder erwachsen wurden, mussten sie beweisen, dass sie allein in der Wildnis überleben können. Wenn sie ihre Initiierung erfolgreich bestanden hatten, wurde zu ihren Ehren ein Fest gefeiert, in deren Verlauf sie das Brandzeichen ihrer Sippe erhielten. Erst dann galt ein Knabe als Mann und wurde als Jäger akzeptiert, eine Frau galt als tragende Säule ihres Volkes.“

„Und das zweite Fest?“, frage ich behutsam, denn ich will ihn nicht weiter in diese schmerzhaften Erinnerungen treiben. Ich weiß, dass auch er einst dieses Ritual durchlaufen und dabei einen herben Verlust erlitten hat. Außerdem mussten alle jungen Männer nach ihrer Initiierung ihre Sippe verlassen, was für Alvan der Beginn eines langen Leidensweges bedeutete.

„Das Equilibrium, das Fest der Jagd.“ Seine Sehnsucht umhüllt uns weiter wie ein dunkles Leichentuch. „Nach den Feierlichkeiten brachen wir in der dunklen Phase zur Jagt auf die Manturen auf, um ihr Wachstum zu begrenzen. Sie ziehen sich zum Schutz vor der kalten Zeit und zur Vermehrung in die Schlucht Adastinare zurück. Dort haben wir sie gestellt.“

„Du würdest gerne in deine Heimat zurückkehren.“ Manturen sind riesenhafte echsenartige Kreaturen, die nur von besonders starken Jägern und Jagdformationen bejagt werden durften. Alvan war einst einer dieser Jäger gewesen.

„Das weißt du ganz genau.“ Seine Augen scheinen einen vernichtenden Blitz auf mich abzuschießen. „Diese verdammten Laurasier verwehren mir die Rückkehr und halten mich durch einen Eid gebunden, den ich vor sehr langer Zeit als eine andere Person geschworen habe.“

 

Und am Schluss zeige ich euch noch die Spitzmaus.

Anja Fahrner - Autorin
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