Aprilsettings2020 Tag 2: Wo und in welcher Zeit lebst du? Ist dieser Ort fiktiv oder real?

„Im Moment bist du ja wieder dabei, mich an meinen Ursprung zurück zu bringen.“ Alkatar lächelt breit. „Das ist wohl das Beste, was du bisher für mich gemacht hast.“

„Du meinst Sumas?“ Ich beobachte ihn dabei, wie er über unseren Garten blickt. Es ist noch ziemlich kahl hier. Der Himmel schon seit einigen Tagen strahlend blau, kaum Flugzeuge. Die Beete sind noch nicht bepflanzt, die Knospen der Gehölze schwellen jeden Tag ein wenig mehr, zeigen hier und da ihr erstes Grün. Nur die Frühlingsblüher locken in ihrer blauen und gelben Pracht unsere Wildbienen an. Es brummt und summt überall. Doch dieses Fleckchen Erde, das für uns einen Großteil unseres Lebens ausmacht, muss ihm angesichts der unendlichen Weite seiner Welt winzig und verbaut erscheinen.

„Was denn sonst?“ Kritisch blickt er hinunter auf den Weg jenseits unseres Gartenzauns. „Ich dachte, ihr lebt hier wegen dem Virus in so einer Art Quarantäne oder Ausgangssperre.“

„Räumliche Distanzierung wird das gerade genannt. Zwei Meter Abstand, nicht mehr als zwei Leute auf einmal und so weiter.“ Ich beobachte einige Radfahrer, Spaziergänger und Autos, lausche Gesprächsfetzen von hessischen Kleingärtnern gegenüber. Brauchst du die Schippe oder ist die hier verankert, sagt gerade einer im typisch raubeinigen hessischen Stil. Die Antwort bekomme ich leider nicht mit. Irgendwie wirkt alles seltsam normal. „Aber wir wollten doch nicht …“

„Nein, wollten wir nicht. Du wolltest wissen, wo und in welcher Zeit ich lebe.“ Er hockt sich auf eine Stufe des schmalen Gartenweges. „Ich wurde nach eurer Zeitrechnung im Jahre 1689 geboren, als bei euch noch tiefstes Mittelalter herrschte.“ Er kratzt ein Stück Moos vom Wegrand, zerpflückt es gemächlich mit seinen Fingern. „Wir Sumariter leben viel länger als ihr Menschen. Doch ich wandere besonders lang unter den Lebenden.“ Sein Blick schweift in eine imaginäre Ferne, um seine Mundwinkel gräbt sich ein bitterer Zug. „Ich habe viele Kämpfe auf verschiedenen Welten geschlagen, war dazwischen lange Zeit im Kälteschlaf. Mein Leben dauert noch fort, wenn es dich schon lange nicht mehr gibt.“

Anja Fahrner - Autorin
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