#Charakterofseptember: Persönliches von Alvan, dem Kriegersklaven des Hohen Rates Teil 4

Heute gehe ich mit Alvan ein Stück durch den Wald. Ich habe einen Weg abseits ausgewählt, wo es ruhig ist. Die Sonne scheint zwinkernd durch das vergilbende Laub, die ersten gelben Blätter wehen sachte über den schmalen Trampelpfad und es riecht nach Pilzen. Die Fragen, die ich heute stellen soll, werden nicht einfach werden.


„Wovor hast du am meisten Angst?“, frage ich behutsam.
„Ein Kuraner darf keine Angst haben“, gibt er barsch zur Antwort.
„Ich meine nicht im Kampf“, lenke ich vorsichtig ein, denn ich merke, dass er ausweicht, sich in seiner Ehre als Krieger verletzt sieht. „Ich spreche auch nicht von dem, was deine Herren von dir erwarten, sondern von dir als Person.“
„Von mir als Person, was?“ Er bleibt stehen und sieht mich mit seinen seltsam grünen Augen scharf an.
Mir läuft es kalt über den Rücken, denn ich merke, dass ich mich einem empfindlichen Thema annähere. „Jeder hat etwas, wovor er sich fürchtet.“
„Ich habe keine Angst um mich, um mein erbärmliches Leben.“
„Nicht um dich, aber …“
Wieder dieser Blick, der mich sofort verstummen lässt. Wir gehen ein paar Schritte weiter und der Wald wirkt bedrückend still. „Das hat etwas mit dem zu tun, was sie damals mit dir in der Ausbildungsstätte Malatomb gemacht haben, oder?“, setze ich zögerlich erneut an. Sie hatten ihn damals auf grausame Art zum Töten gezwungen. Sofort geht etwas von ihm aus, was mir das Herz abzudrücken scheint. Es fühlt sich an, als würde er sein erlittenes Leid in mich verpflanzen wollen und ich verspüre das Bedürfnis, mich in irgendein dunkles Loch zu verkriechen, um dem zu entgehen. Es ist nur ein kurzer Augenblick, dann hat er sich wieder unter Kontrolle, aber in diesem Moment bin ich froh, dass Menschen keine Telepathen sind. Wie würde es sich anfühlen, wenn ich das menschliche Leid auf der Erde körperlich fühlen müsste? Der eisige Schauer auf meinem Rücken verstärkt sich.
„Du weißt, dass ich darüber nicht reden kann und niemals werde“, sagt er mühsam beherrscht. „Stelle mir nie wieder so eine Frage.

Anja Fahrner - Autorin
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